Fototipps
Street-Fotografie Berlin
Langweilige Postkarten-Motive waren gestern: Fotografin Marta Urbanelis nimmt uns mit in die Hauptstadt und zeigt, wie sie das echte Berlin einfängt.
Die typischen Berlin-Motive sind schön, aber oft ein bisschen Postkarten-like. In diesem Artikel zeige ich dir, wie du solchen Motiven durch Street-Fotografie etwas Echtes und Ungeplantes verleihst. Was du dafür brauchst? Am besten eine kleine, unscheinbare Kamera oder dein Handy, damit du als Fotograf:in nicht direkt erkannt wirst. Außerdem viel Zeit, Geduld - und eine Prise Glück.
Wenn du durch eine Stadt gehst, fang zuerst an zu beobachten. Lauf langsam durch die Straßen, schau, wie Menschen sich bewegen, wie Licht und Schatten fallen. Oft passiert das Interessanteste genau dann, wenn du eigentlich gar nicht fotografieren willst. Geduld ist echt alles – manchmal stehe ich einfach nur da und warte auf den Moment, der mir die Szene zeigt, die ich einfangen will.
Dein Städtetipp in einem CEWE FOTOBUCH
Bildkomposition ist für mich alles. Sie ist das, was aus einem zufälligen Moment ein starkes Bild macht. Linien, Schatten, Menschen, Architektur – all das fügt sich zu einem visuellen Rhythmus zusammen, wenn du genau hinsiehst.
Um die Bildkomposition zu üben, empfehle ich dir: Nimm dir als Ziel einen Ort. Versuche, nicht sofort zu fotografieren, sondern erstmal zu beobachten. Fotografiere nicht direkt das Offensichtliche. Manchmal braucht es ein paar Minuten, um zu verstehen, wie sich das Licht über die Flächen bewegt, wo Linien führen oder wie Menschen in diese Geometrie hineinpassen.
- Wo ist das beste Licht? Gibt es ein schönes Spiel von Licht und Schatten?
- Wo entstehen geometrische Formen wie Linien, Rechtecke oder Flächen?
- Kann ich diese Formen mit Menschen kombinieren? Läuft jemand durch die Szene, der eine interessante Figur ins Bild bringt?
Oft merke ich: Wenn ich erstmal beobachte, sehe ich plötzlich Muster und Strukturen, die ich sonst übersehen hätte.
Perspektivwechsel
Wenn du wirklich spannende Street-Fotos machen willst, rate ich dir: Spiele mit der Perspektive. Viele denken, man fotografiert einfach auf Augenhöhe – langweilig! Die richtige Perspektive kann dein Bild völlig verändern. Eines meiner wichtigsten Mantren ist: get down, get high, get dirty but never get bored. Klingt ein bisschen nach Abenteuer – und genau das ist es auch!
Motiv-Serien kreieren
Sammle Motive, die ein Thema oder Muster teilen: Flächen, wo Sonne und Schatten schwarzweiße Muster auf den Boden malen, Leute, die ähnliche Farben tragen, Objekte, die sich wiederholen wie zum Beispiel Fahrräder oder Fenster. So kannst du kleine Bilderserien erstellen.
Für mich ist das wie eine Briefmarkensammlung. Ich sammle Motive und freue mich, ein neues aus der Sammlung zu entdecken. Das macht nicht nur Spaß, sondern lehrt dich, Details und Wiederholungen zu sehen, die du sonst nie beachten würdest.
Kamera & Technik
Die Kenntnis deiner Kamera ist Gold wert. Weißt du, wie du Belichtung, Fokus und Blende schnell anpasst? Andernfalls ist der Moment schnell wieder vorbei. Ich hab immer alles griffbereit, sodass ich auf einen Klick reagieren kann.
Ein Trick, den ich sehr oft nutze, ist, nicht auf die Kamera zu schauen, sondern aus der Hüfte zu fotografieren (#from-the-hip). So einfach das klingt – es ist eine echte Königsdisziplin. Damit dein Foto so gut wie möglich gelingt, versuche vorher alles einzustellen, was möglich ist:
- Bereich bestimmen: Wähle ein Motiv, bei dem die Komposition und das Licht für dich optimal sind.
- Beobachten: Schau, wie sich Menschen in diesem Bereich bewegen – auf welcher Höhe laufen sie, in welcher Entfernung zu dir.
- Zonenfokus: Wähle einen Bereich oder Punkt, der sich in dem von dir geplanten Bereich befindet, auf den du scharfstellen möchtest, und fokussiere genau darauf. Danach stellst du den Fokus auf manuell oder fixiert, sodass die Kamera nicht mehr automatisch nachstellt.
Arbeitest du mit einer geschlossenen Blende (hohe Blendenzahl), vergrößerst du die Tiefenschärfe – also sind mehr Objekte gleichzeitig scharf, und der unscharfe Bereich („Out-of-Focus“) wird kleiner. So bleibt deine Szene insgesamt klarer, auch wenn sich Menschen oder Objekte bewegen.
Serienbildmodus
Gerade bei bewegten Szenen – Leute, Autos, Tiere – erhöht der Serienbildmodus die Chance, den perfekten Moment zu erwischen.
Storytelling
Für mich hört Street-Fotografie nicht beim einzelnen Bild auf – ich denke immer schon ein bisschen voraus: Wie würde das in meinem CEWE FOTOBUCH aussehen? Manchmal braucht es 2–3 Motive, um eine kleine Geschichte zu erzählen. Ein einzelnes Bild zeigt vielleicht einen Moment, aber eine Serie kann die Stimmung, den Ablauf oder das Zusammenspiel von Menschen und Umgebung transportieren.
Zudem überlege ich mir oft vorher, ob ich Hilfsmotive brauche, um die Story besser zu erzählen. Hilfsmotive sind Bilder, die eine Geschichte unterstützen, ohne im Mittelpunkt zu stehen. Sie helfen, den Kontext, die Stimmung oder den Ablauf einer Szene zu verdeutlichen und lassen die Betrachtenden tiefer in die Szene eintauchen.
Never get bored: Das Wichtigste – verliere nie die Neugier. Selbst wenn du stundenlang am gleichen Ort stehst, gibt es immer neue Details, Muster oder Lichtspiele zu entdecken. Stell dir vor, jeder Standort hat unendlich viele Blickwinkel. Probiere jeden aus: hoch, tief, aus der Hüfte, durch Türen, Fenster, Zäune oder Spiegel. Mit jedem Perspektivwechsel entstehen neue Möglichkeiten – und du trainierst automatisch dein Auge für Komposition und Details.
Street-Fotografie ist für mich wie ein Sandkasten für Erwachsene. Stell dir vor: Alle haben die gleiche Menge Sand. Einer ist genervt davon, weil der Sand in die Schuhe fällt, der andere baut daraus eine Burg. Street-Fotografie ist für mich, Momente zu sehen, die sonst keiner bemerkt, und die Stadt durch meine Augen zu erleben. Nimm dir Zeit, beobachte, hab' Geduld und experimentiere. Jede Straße kann dich überraschen – und Berlin ist dafür der perfekte Ort.
Viel Spaß beim Ausprobieren und Entdecken!
Deine Marta Urbanelis

